Einleitung:
In den letzten Tagen war die Bundesagentur für Arbeit erneut in den Schlagzeilen: Sinkende Vermittlungszahlen, unbesetzte Stellen trotz Bewerberüberschuss und Unzufriedenheit bei Arbeitgebern wie Jobsuchenden. Die Kritik ist nicht neu – aber sie wird lauter. Es ist an der Zeit, sich ehrlich zu fragen: Erfüllt unser bestehendes staatliches System der Arbeitsvermittlung noch seinen Anspruch? Und wenn nicht – wie könnte es besser gehen?
Zwischen Anspruch und Realität: Ein System unter Druck
Deutschland investiert Milliarden jährlich in aktive Arbeitsmarktpolitik. Doch die Vermittlungsleistung der Agenturen stagniert, insbesondere bei Menschen mit komplexen Vermittlungshemmnissen, aber auch bei den Geflüchteten, Asylbewerbern und „normalen“ ALG-I-Empfängern. Gleichzeitig bleibt ein großer Teil offener Stellen lange unbesetzt – laut aktueller Studien über 1.800.000 Vakanzen in Bereichen, für die es durchaus Bewerber gäbe.
Der Vorwurf: Die Bundesagentur reagiere zu träge, zu standardisiert, zu bürokratisch. Individualisierte Beratung, aktive Ansprache von Arbeitgebern oder kreative Matching-Strategien sind im Behördenalltag oft schwer realisierbar. Auch die Jobbörse der Arbeitsagentur ist alles andere als benutzerfreundlich, leicht zu navigieren oder gar intuitiv zu bedienen, weder für Jobsuchende noch für Arbeitgeber. Auch die die teilweise bis zu 99% anonymen Profile der Jobsuchenden in Verbindung mit der katastrophalen Antwortquote sind stark verbesserungswürdige Beispiele. Ganz zu schweigen von dem miserablen Handling für Arbeitgeber, die eben nicht intelligente Tools an die Hand bekommen, um z. B. 10 infrage kommende Bewerber in einem Vorgang anzuschreiben, sondern sie haben jeden einzeln anzuschreiben, mit der Gewissheit, dass sich sehr wahrscheinlich niemand melden wird …! Von einem Bewerbermanagementsystem, damit Arbeitgeber schnell und einfach die Übersicht über ihre Stellen und zugehörige Bewerber bekommen, hat die Bundesagentur für Arbeit sicher noch nie etwas gehört.
Privat ist nicht per se besser – aber oft flexibler
Privatwirtschaftliche Anbieter sind kein Allheilmittel – das zeigen Beispiele aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Aber: Wenn Anreizsysteme richtig gesetzt sind, können sie sehr wohl einen Unterschied machen.
Denn private Arbeitsvermittler:
- arbeiten leistungs- und ergebnisorientiert,
- können schneller auf regionale Unterschiede reagieren,
- und spezialisieren sich oft auf bestimmte Zielgruppen oder Branchen,
- verfügen oft über zahlreiche Kontakte zu regionalen Betrieben, die kaum Hilfe von den staatlichen Kollegen erhalten, die kümmern sich gern um die Großunternehmen
Allerdings: Ohne differenzierte Steuerung drohen Fehlanreize – etwa das „Creaming“, also die Konzentration auf einfach zu vermittelnde Fälle. Deshalb braucht es intelligente Vergütungssysteme, klare Qualitätsstandards und ein faires Monitoring.
Wie könnte ein Lösungsansatz ansehen?
Ein Reformmodell, das die Stärken öffentlicher Steuerung mit den Vorteilen privater Umsetzung in partnerschaftlicher Zusammenarbeit und auf nachhaltige Integration statt kurzfristiger Erfolge zielt?
Welche Kernideen könnten infrage kommen?
- Zielgruppenspezifische Betreuung?
- gestaffelt Honorare nach Schwierigkeitsgrad?
- monatliche Betreuungsprämie, um Creamingeffekt zu vermeiden?
- vermittlungsfördernde Qualifizierungsangebote bei Bildungsdefiziten?
- Erfolgsprämien nur bei langfristiger Beschäftigung (mind. 6–12 Monate)?
- Externe Evaluation & Pflicht zur Teilnehmerbefragung zur Qualitätssicherung?
- Hybride Betreuung – digital gestützt, aber mit persönlicher Begleitung?
- Statt unsinniges und bürokratisches Zertifizierungssystem (AZAV) Rückkehr zur Arbeitsvermittlungslizenz (Erlaubnispflicht)?
- Digitaler (sicherer) Zugriff auf Leistungsbezieher statt umständliches Vermittlungsgutscheinverfahren?
- Klare & einfache (digitale) Rahmenbedingungen für Abrechnung & Verwaltung?
- …?
Ein solches Modell wäre effizienter, sozial gerechter und transparenter – und würde Arbeitgeber wie Bewerber gleichermaßen in den Mittelpunkt stellen.
Was jetzt nötig ist: Mut zur Veränderung
Die Realität ist komplex – und genau deshalb braucht es neue Ansätze. Die Arbeitswelt verändert sich rasant: Digitalisierung, demografischer Wandel, Migration. Das verlangt nach einem flexiblen, reaktionsschnellen und menschenzentrierten Vermittlungssystem.
Es geht nicht um ein „Entweder-Oder“ zwischen öffentlicher und privater Vermittlung, sondern um ein klares „Sowohl-als-auch“ – gesteuert nach Qualität, Wirkung und gesellschaftlichem Nutzen.
Fazit:
Die Kritik an der Arbeitsagentur sollte nicht in pauschalem Behörden-Bashing enden. Aber sie muss ernst genommen werden. Ein modernes Arbeitsvermittlungssystem muss wirken – nicht nur verwalten. Und genau dort beginnt die Reformaufgabe.